Dürckheim 10. Abend

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Welle und Meer II

 

Am letzten Abend hat uns eines der klassischen Meditationsbilder geleitet. Es war das Bild von der Welle und dem Meer. 

 

Es ist ein spirituelles Bild und weist auf Spirituelles hin. Es weist darauf hin, dass ich - wenn ich mich als Welle in dem Bild verstehe - einerseits ein isoliertes Ich bin, abgegrenzt und für mich stehend, und andererseits doch auch teilhabe am Großen und Ganzen, an dem Meer, an dem Urgrund des Lebens,- oder wie immer wir dieses bezeichnen wollen, was Dürckheim das große Geheimnis nennt, zu dem sich über Meditation und auf dem initiatischen Weg vielleicht ein wenig die Tür öffnen kann.

 

Es gibt noch weitere Bilder dieser Art, nämlich das Bild von
dem Blatt am Baum
der Rebe am Weinstock
und das Bild von den vielen Gliedern, aber dem einen Leib.

 

Wir gehen heute noch einmal auf das Bild von der Welle und dem Meer zu. Die Welle ist Welle und zugleich ein Teil des Meeres. Dürckheim hat eine prägnante Formulierung geprägt, um das Verhältnis von Teil und Ganzem genau auszudrücken. Diese Formulierung hatten wir das letzte Mal kennen gelernt: Die Welle ist das Meer in der Weise, in der es als Welle erscheint.

 

Das Problem daran ist: Die Welle kann das vielleicht gedanklich verstehen. Aber fühlen, dass sie selbst das Meer ist, kann sie nicht. Jedenfalls nicht, solange sie ihre Identität als Welle und als abgegrenzten Teil des Meeres aufrechterhält. Um es zu fühlen, müsste ihre Abgrenzung wegfallen,- und dann wäre sie nicht mehr Welle, sondern Meer. Das hatten wir das letzte Mal meditiert, und das werden wir heute ein zweites Mal tun.

 

Ich bitte um Erlaubnis, diese Thema “Ich bin ein Teil des Ganzen” einmal ganz steil in klassisch religiöse Sprache übertragen zu dürfen: “Ihr seid Kinder des Lichts”, sagt die Bibel mehrfach. Manchmal auch: “Ihr seid Gotteskinder”. Oder: “Ihr seid zwar in der Welt, aber ihr seid nicht von der Welt.” All dies sind Aussagen, dass wir von göttlichem Wesen seien. Das zu verstehen macht dem normalen Verstand schon manche Mühe. Die gedankliche Herausforderung, die darinnen steckt, treibt Dürckheims geprägt Formel noch auf die Spitze:

Die Welle ist das Meer in der Weise, in der es als Welle erscheint.
Petra ist das Göttliche in der Weise, in der es als Petra in Erscheinung tritt.

 

Wenn der Verstand das hört, dann grenzt er sich sofort ab: “Natürlich bin ich nicht das Göttliche. Da ist doch ein fundamentaler Unterschied. Hier bin ich und da ist das Göttliche.” Es gibt gedankliche Kompromisse: “Naja”,  könnte ich sagen, “ganz unten in meinem Wesen, da ist vielleicht ein göttlicher Funke.” Oder: “Ich bin vielleicht auf dem Wege...” Das sind Vermittlungsversuche des Verstandes, der nicht ernstlich sagen kann: “Ich bin von göttlichem Wesen.” Denn  wie die Welle kann er so etwas kaum denken, vor allem aber nicht fühlen.

Was ist das für eine Realität, dass wir vom innersten WESEN her nicht nur die Welle, sonder selbst auch das Meer sind? Das Bild von der Welle und dem Meer als Meditationsbild genommen, öffnet vielleicht einen Zugang.

 

Meditationsanleitung:

Im inneren Bild lasst Ihr das Meer entstehe... :
Ihr spürt in eine der Wellen hinein. Wie ist es, Welle zu sein?
Ihr spürt in das hinein, was außerhalb von Euch ist. Wie ist es, Meer zu sein?
Ihr lasst das Meer still werden...

 

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