Dürckheim 4. Abend

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Thema: Immanente Transzendenz am Beispiel Sorglosigkeit

 

Letztes Mal haben wir das Bildwort von den Lilien auf dem Felde meditiert. Der Zusammenhang war dieser: Wir hatten gefragt: Was wird anders, wenn ein Mensch mit dem WESEN in Kontakt kommt? Was wäre, wenn der Mensch vom WESEN her bestimmt ist und das egozentrische Welt-Ich in den Hintergrund tritt? Die Antwort im theoretischen Konzept: Vom inneren WESEN her – vom göttlichen Schwingungsgrund her - kann sich zum Beispiel das Sorgen ändern, dass naturgemäß immer mit dem Welt-Ich verbunden ist.

 

Mit meinen Worten formuliert: Es gibt eine Schwingung, eine innere Atmosphäre, in der das Sorgen verschwunden ist. Manchmal kann man in der Meditation (und auch bei anderen Gelegenheiten) von solcher Schwingung berührt werden oder erleben, dass man in sie einschwingt. Da würde dann eine Ahnung davon entstehen, wie es ist, wenn man nicht vordringlich vom Welt-Ich her bestimmt ist, sondern vom göttlichen Wurzelgrund her schwingt.

Das war die Ausgangslage. Was waren unsere Erfahrungen und wie können sie in diesem Konzept verstanden werden?

1. "Sorglosigkeit" in der Weise einer schlafnahen Schwere
Die Atmosphäre der Meditation drückte sich als körperliche, dem Schlaf nahe "Schwere" aus. Eine "bleierne Schwere" habe sich im Körper ausgebreitet, sagte jemand. "Wie in Schlaf fallen" war eine andere Beschreibung. Eine von uns sagte, sie wäre tief im Meditationsbewußtsein und könne zum Reden gar nicht so einfach heraus, wolle das auch gar nicht. Mehrere sagten am Ende des Abends, sie müssten jetzt aktiv werden, nach Hause laufen, statt zu fahren. Aktiv anpacken beim Aufräumen, sonst würde die Atmosphäre der Schwere gar kein Ende haben. Bei Holger war sogar die Stimme verändert, als wäre er gar nicht ganz wach. Gleichzeitig war es klar, dass diese Atmosphäre durchaus so etwas wie Sorglosigkeit beinhaltete. Zumindest die Abwesenheit der sorgenden Gedanken.

 

Was ist da geschehen? Wir meditieren das Bild von den Lilien auf dem Felde, und bei etlichen zeigt sich eine solche schlafnahe Schwere. Richtig ist, dass von unserer Erfahrung her in dieser schlafnahen Schwere das ego-bezogene Welt-Ich zurückgetreten war. Richtig auch, dass das Sorgen abwesend war. Jedoch nicht wie in heiterer Gelassenheit, sondern eben wie im Schlaf. Wenn man es positiv nimmt, dann war es wie eine Erlaubnis, sich zurückzulegen und sich zu regenerieren, so, wie eine gute Nacht es uns ermöglicht.

 

Insofern passt auch dazu, dass einige dann über Nacht tief, schwer und erfrischend geschlafen haben. Ein e-mail sagt: Es war ein "schwerer" Abend. Heute morgen geht es mir – wie beim letzten Mal – sehr gut.

 

Mir fällt dazu eine etwas überraschende Assoziation ein: Rudolf Steiner spricht ja davon, dass auch die Steine und die Pflanzen ein Bewußtsein hätten. Natürlich eine andere Form von Bewußtsein als wir. Bei den Pflanzen wäre es ein Bewußtsein wie im Schlaf. Bei den Steinen wie im tiefen Trance, (wobei in dem Trance-Bewußtsein dann gleichzeitig alles mit allem verbunden sei.) Und von der Entstehungsgeschichte des Menschen her – so Steiner – gebe es in uns immer noch Nähen zu solchen Bewusstseinsformen. Man könnte also sagen: Wir sind in die Realität des "Nicht-Sorgens" eingetaucht. In diesem Fall war es das Nicht-Sorgen in einer etwas seltsamen, archaischen Form, nämlich einer Schlaf nahen Form – ähnlich dem, was Steiner bei den Pflanzen als Bewusstsein sieht -; jedenfalls eine Form des Bewusstseins, in der das Ego noch nicht als eigenständige und Herrschaft ergreifende Instanz hervortritt.

 

Ich hatte das das letzte Mal so formuliert: Der Meister hält seinen Schülern und Schülerinnen vor Augen: So ist das, wenn Ihr aus der Vorherrschaft des Welt-Ichs erwacht und von dem göttlichen Wurzelgrund her schwingt: dann seid ihr wie die Lilien auf dem Felde.

 

Das also haben wir erkundet. Und eine Antwort gefunden.

 

2. Erdung 
Die Meditation über die Lilien auf dem Felde erdete.

Bei manchen von uns tauchten Farben auf: rot und braun und auch schwarz. Bei einigen hatten solche Farben auch einen Ort in der inneren Wahrnehmung, nämlich unten, wobei es bei einigen gleichzeitig oben ein Lichtwahrnehmung gab. Wenn ich mich recht erinnere, gab es auch die Form der Schale oder Höhle. Das sind Farben und Formen, die symbolisch zu der bergenden und erneuernden Kraft der "Mutter Erde" gehören. Also gewissermaßen zu der weiblichen Seite Gottes. Auch Tod und Wandlung gehört dazu. Und wenn diese bei uns auftauchten, ist das sicherlich auch nicht ganz zufällig. Der Zusammenhang, aus dem das Wort von den Lilien auf dem Felde stammt, spitzt das Sorgen des Welt-Ichs auf die Begrenztheit des Lebens zu: "Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?"

 

Ein erdender Impuls ging von unserem Meditationsbild aus. Auch dazu ergab sich nachträglich für mich noch eine überraschende Wende: Die Blumen, auf die Jesus sich ursprünglich bezieht, sind keine weißen Lilien. Erst die Übersetzung ins Lateinische und dann auch Luther macht sie zu ihnen, also zu einer Blume, die in die Wappen der Könige gehört und als Symbol der Reinheit gilt. Im griechischen Urtext sind es Frühlingsblumen: Das Lexikon nennt verschiedene mögliche Namen: Herbstzeitlose. Dann wäre es die Farbe rosa bis violett; Türkenbund, der ist rot, oder Schwertlilie. Deren Farbmöglichkeiten reichen von gelb über blau-violett bis rot.

 

"Bei mir waren es Mohnblumen", wirft eine Teilnehmerin ein.

 

Also bunte Blumen, mit einer Tendenz in Richtung rot. Mit rot wären wir wieder beim Thema "Erde", und wieder weg vom abgehobenen Weiß. Und damit bekommt die Atmosphäre der "Sorglosigkeit" noch einen weiteren Akzent: sie ist Sorglosigkeit gegründet in Erdverbundenheit.

 

Soweit mein Versuch, unsere Erfahrungen zusammenzufassen.

 

Heutige Meditation
Wir kehren zurück zu unserem Thema: Nicht-Sorgen. Vom göttlichen Kern her in uns könnte eine Schwingung ausgehen, bei der das Sorgen verschwindet. Wir nehmen für unsere heutige Meditation ein weiteres Symbol für diese Lebenskraft, die das Sorgen hinter sich lässt. Es ist das Bildwort von den Engeln, die unseretwegen Befehl haben.  

 

Er hat seinen Engeln befohlen über dir, 
daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
daß sie dich auf den Händen tragen 
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. (Ps 91,11-13)

 

So ist das, sagt dieses Symbol: Wenn Ihr aus der Vorherrschaft des Welt-Ichs erwacht und von dem göttlichen Wurzelgrund her schwingt, dann seid ihr wie von Engeln getragen. - Wie wäre das wohl? - Wir verfahren nach der gleichen Methode, wie beim letzten Mal. Wir meditieren hinein in das Bild von den Engeln, auf dass wir vielleicht eine Ahnung von der Realität bekommen, die in dieses Symbol als Schwingung (als Kraft) gefasst ist.

 

Meditationsanleitung und Meditation (20 Min.)

 

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