Dürckheim 5. Abend

 
Die rechte Mitte I

 

An den vier vorangegangenen Abenden haben wir mit Begriffen und Vorstellungen von Karlfried Graf Dürckheim gearbeitet. Manche von Ihnen kommen heute neu dazu. Darum fasse ich den Ansatz von Graf Dürckheim noch einmal zusammen. Sie können die Ausführungen von den vergangenen Abenden im Internet nachlesen.


So etwa sagt Graf Dürckheim: Meditation öffnet eine Tür und führt ein in das "Geheimnis des Lebens". Darin liegt ihr eigentlicher Sinn. Denn der Mensch hat einen doppelten Ursprung. Von seiner weltlichen Lebensgeschichte her entwickelt er ein – hoffentlich – starkes und fähiges Ich – sein Welt-Ich - , das ihn befähigt, den Anforderungen der äußeren Welt gerecht zu werden und für sich und die Dinge der Welt zu sorgen. Hat dieses Welt-Ich im Menschen allerdings die Vorherrschaft, dann besteht die große Gefahr, dass der Mensch sich egozentrisch auf sich selbst verkrümmt und verspannt und sein volles Menschsein verfehlt. Denn es existiert in ihm ein zweiter Ursprung: seine himmlische Natur oder seine Verbundenheit mit dem Heiligen oder Göttlichen. Meditation ist ein Weg, dieser göttliche Natur in ihm (und in allen Dingen) bewusst zu werden und sie aufzudecken: Meditation als ein initiatischer Weg, als ein Weg, der die Tür zum Geheimen hin öffnet.


Die Aufgabe des Menschen – so Dürckheim – ist letztendlich, für das Heilige in ihm selbst transparent zu werden, oder für die immanente Transzendenz transparent zu werden oder durchlässig zu werden zur eigenen Wesenstiefe hin.


Das ist der Punkt, an dem wir jetzt mit den folgenden vier Abenden neu ansetzen. Heute und an den kommenden drei Abenden geht es um die rechte Mitte.


Wenn das Welt-Ich die Vorherrschaft hat, dann drückt sich das nicht nur in einer überzogenen Selbstbezogenenheit  (Egozentrik) aus, d.h. darin, dass der Mensch stetig um sich selbst besorgt ist, sondern auch körperlich. Der Schwerpunkt im Leib sitzt dann zu hoch. Der Mensch ist verspannt. Das drückt sich äußerlich in hochgezogenen Schultern aus. Das Gegenteil wäre Gelassenheit. Bei wahrer Gelassenheit wäre der Mensch in seiner wahren Mitte, nämlich verankert im Bauch-Beckenraum, dem HARA, wie es japanisch genannt wird. Oder umgekehrt: Wenn der Mensch im Hara verankert ist, dann ist er in seiner rechten Mitte, das heißt im Lot – körperlich und seelisch. 


"Wer aber gelernt hat, seinen Schwerpunkt im Bauch-Beckenraum-Raum zu halten, findet hier eine Quelle außerordentlicher Kraft, eine Garantie unerschütterlichen Gleichgewichts und die Wurzel für eine ungehemmte Kontaktfähigkeit. Warum? Weil mit der Verankerung im Bauch-Becken-Raum von der Haltung her die im falschen Schwerpunkt verkörperte Dominanz des kleinen Ichs ausgeschaltet ist. Dies ist auch eine Grundvoraussetzung zur Gewinnung jener Durchlässigkeit zur eigenen Wesenstiefe, die für den Fortschritt auf dem initiatischen Wege zum wahren Selbst notwendig ist." (Karlfried Graf Dürckheim, Übung des Leibes auf dem inneren Weg, München 1978, S. 9-12)


Der Mensch ist dann in der rechten Mitte ist, das heißt im Lot, im Gleichgewicht, wenn er seinen Schwerpunkt im Bauch-Becken-Raum findet. Zwei Haltungstendenzen gibt es, in denen diese Mitte verfehlt wird. Verspannung ist die eine, dann ist der Schwerpunkt zu weit oben. Aufgelöstheit ist die andere. Dann sackt der Schwerpunkt nach unten weg. Wir werden heute und an den kommenden Abenden üben, uns dieser Zentrierung anzunähern und der unterschiedlichen Scherpunktmöglichkeiten bewusst zu werden. 


Wir machen eine Übung: Die kalte Schulter - die rechte Mitte

>>zurück zur Übersicht Dürckheim