Dürckheim 8. Abend

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Atem – Odem

Der Atem - verstanden und erlebt als Odem - wird zum Tor zum WESEN

 

Welche Bedeutung hat der Atem in der Meditation?

Es gibt eine ganze Reihe von Meditationsanleitungen, die sich auf den Atem beziehen. So hat eine meiner ersten Meditationslehrerinnen mir die Anweisung gegeben: Jetzt nimm Deine Aufmerksamkeit von den Gedanken weg und konzentriere Dich auf den Atem. Du zählst die Atemzüge, von eine bis zehn aufwärts und dann von zehn nach eins abwärts. Und du bleibst mit deiner Aufmerksamkeit bei diesem Zählen. Wir haben dann 20 Minuten meditiert, und ich war erstaunt, dass ich das Zählen einigermaßen durchhalten konnte. Jedenfalls beim ersten Mal. Später fand ich mich dabei, dass ich oft über zehn hinaus zählte. Hier war die Aufmerksamkeit auf das Atmen also (zunächst) als eine Technik benutzt, sich nach innen hin zu konzentrieren. Und da gibt es ja etliche Anweisungen dieser Art.

 

Für Dürckheim ist Atem mehr als eine technische Hilfe, mehr als ein Geländer, an dem man sich in der Meditation festhalten kann. Atem ist für Dürckheim als Atem und in sich selbst mehr. Das alte germanische Wort Odem drückt diese Qualität aus. In Indien wäre es PRANA, in China CHI: die Lebenskraft, die Kosmos und Landschaft, Luft und Wasser, Pflanzen, Tiere und Mensch durchweht, alles zum Leben bringt und erfahren oder gedacht wird wie ein kosmischer Atem.

"Wir müssen im Atem den Odem des großen LEBENS wahrnehmen, der alles Lebendige durchwaltet und so auch den Menschen als ganzen Menschen bewegt, ihn als Seele, Geist und Leib lebendig erhält." (Karlfried Graf Dürckheim, Vom doppelten Ursprung des Menschen, Freiburg / Br., 17. Auflage 2003, S.197)

 

Viele kennen das Bild aus dem Alten Testament, dass Gott Erde nahm, den Menschen formte und ihm den Lebensodem einhauchte. Dass muß eigentlich heißen: auch ihm den Lebensodem einhauchte. Denn die Menschen der alten Zeit sahen die Vorgänge in der Natur eh schon als mit diesem Atem verbunden: Wachsen und Vergehen, das Grünen der Blätter und ihr dürre werden, Geboren werden und Sterben. Das alles wurde erlebt, als dass Gott oder die Kraft des Lebens den Odem gibt und ihn zurücknimmt. Und in diesen Rhythmus des Lebens wird der Mensch also auch hineinverwoben, indem Gott auch ihm den Lebensodem einhaucht.

 

Dieses kann der Atem in der Meditation sein: der Odem. Nicht etwas vom Menschen Erfundenes, nicht etwas, was er macht, sondern etwas, was er bekommt. Wir kennen das, dass unser Atem beeinflusst wird von unseren Ängsten und von unseren Verspannunge. Und doch kann unser Atem ein Tor sein zum Odem hin. Es gilt also …."zu lernen, den Atem, der nicht vom Menschen erfunden, sondern ihm eingeboren und wesensgemäß ist, zuzulassen! In dieser Übung geht es darum, dem naturgegebenen Atem zu lauschen, seine ursprüngliche Form wiederzufinden und zu erhalten, und das bedeutet vor allem: zuzulassen, was uns von selbst ohne unser Zutun als ganz natürliches Ausströmen und Einströmen im Geben und Empfangen rhythmisch bewegt." (ebenda)

 

Ein- und Ausatmen ist dann ein Teil des Lebens, kein technisches Geländer, sondern ein Teil des Lebens selbst. Und zwar in einer besonders signifikanten Zuspitzung ein Beispiel daran, dass das Leben durch die Bewegung des Austauschens geschieht: Ich gebe mit dem Ausatmen hin und ich empfange mit dem Einatmen wieder. Mit dem Atem als Odem tauchen wir ein in den Grundrhythmus des Lebens.

 

Übung:

Betonen des Ausatmens. Erfahren der Wiederkehr des Einatmens ganz von selbst.

 

Dass wir mit dem Ausatmen nach unten sinken, ist uns schon aus den früheren Abenden bekannt. Sich sinken lassen in die Beckenschale ergibt mehr und mehr die Ausdehnung der Horizontale. Sitzen wie ein Berg. Das Einatmen ergibt die Aufrichtung.

 

Bild: Gott haucht dem Menschen und allem Leben den Odem ein. Alles Leben pulsiert in und durch diesen Odem. Wir lassen uns  in in den Puls des Lebens hineinsinken.

 

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