Eintauchen in eine Schwingung der Sorglosigkeit 2006

tl_files/images/Veranstaltungen-Bilder115x77/Goldenberg_Orchidee2.jpgSechs Fragen an Volker Schmidt und Lydia Orben-Schmidt
Interview zum Meditationskonzept anläßlich einer Ostertagung 2006 im Osterberg-Institut, Niederkleevez

 

Volker Schmidt ist freiberuflich arbeitender Theologe. Der Pastor a.D. und ehemalige Studienleiter an der Evangelischen Akademie Nordelbien hat seinen Schwerpunkt in Meditation und meditativ-energetischem Wahrnehmen.

 

Lydia Orben-Schmidt kommt aus philippinisch-asiatischer Tradition. Ihre Schwerpunkte sind Bewegung, Ritual, energetische Gebärde sowie meditativer und freier Tanz. Das Ehepaar leitet, einander vielfach ergänzend, unsere Meditationstagung „Chaos und Licht“ zu Ostern.

 

Die Teilnehmer an der Ostertagung müssen am Ostersonntag früh aus den Federn: Sie treffen sich zur Meditation bei Sonnenaufgang, so gegen fünf. Warum?

 

Orben-Schmidt: Sonnenaufgang ist um 5 Uhr 15. So früh auf zu sein, ist ein Stück Abenteuer! Herrlich.

 

Schmidt: Schon vor dem Christentum wurde diese Jahreszeit gefeiert als die Zeit des wiederkommenden Lichts. Da liegt dann das Leben als offener Weg vor einem. Die Lebensenergien schwingen wieder kräftiger. Ostern bedeutet auch: Übergang vom Dunkel zum Licht. Den Sonnenaufgang zu erleben, hat immer etwas Mystisches. Manchmal öffnet sich dann das Herz für die innere Schönheit eines ja alltäglichen Vorgangs. Das fällt leichter, wenn man darauf eingestimmt wird, etwa so, wie wir es bei diesem Seminar vorhaben.

 

Wie stimmen Sie die Teilnehmenden ein?

 

Schmidt: In der Spiritualität ist für mich geformte Sprache sehr wichtig – Eichendorff, überlieferte Märchen, Hildegard von Bingen, Graf Dürckheim. Wenn ich zum Beispiel über das Dichterwort „Ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen“ meditiere, dann tauche ich tatsächlich ein in die Ruhe des Baumes.

 

Orben-Schmidt: Was Volker theologisch und sprachlich darstellt, versuche ich durch Bewegung, Körperarbeit und Tanz erlebbar zu machen. Bestimmte Übungen nenne ich energetische Gebärden. Für andere sind es vielleicht  – Gebete? Wenn ich etwas erlebt habe, drücke ich es in Bewegung aus. Zu solchen Bewegungen lade ich die Teilnehmenden ein. Mein letztendliches Ziel ist die Öffnung des Herzens.

 

Schmidt: Lydia hat für viele spirituelle Themen passende Übungen entwickelt, für umfassende Liebe zum Beispiel oder für Humilitas, unser Wort für Demut, Bescheidenheit. Es funktioniert so: Der Körper kann uns aufmerksam machen auf sein geheimes Wissen. Dies wiederum drückt Lydia in einer Gebärde aus. Das dazugehörige Gefühl gibt uns dann eine Ahnung von einem Wissen vor den Worten.

 

Wie erleben Sie selbst Meditation?

 

Schmidt: Es gibt eine Schwingung der Sorglosigkeit, in die ich eintauchen kann. Sie steckt in uns, als innere Realität. Beim Meditieren kann sie erwachen. Grundsätzlich ermöglicht Meditation eine gewisse Distanz zu den Dingen des Alltags. Sie hilft dabei, nicht dem Anhaften zu verfallen, wie die Buddhisten es nennen. Sonst läuft man Gefahr, aufgefressen zu werden von einer Standard-Glückserwartung.

 

Orben-Schmidt: Für mich ist Meditation nicht nur Sitzen. Ich meditiere zum Beispiel auch, wenn ich bei einem Spaziergang die Natur bewundere.

 

Als Paar stehen Sie in gewisser Weise für Ost und West. In der Spiritualität suchen und praktizieren Sie den Brückenschlag. Wie geht das?

 

Orben-Schmidt: Im Westen wird viel mit dem Kopf getan. Manchmal ist die Beziehung zwischen Herz und Kopf gestört. Bewegung kann sie wieder knüpfen. In unserer Kultur gibt es eine Tradition des Tanzens und Vortragens, ich bin aufgewachsen mit so vielen Ritualen zu den Themen des Lebens!

 

Schmidt: Als ich länger in den Philippinen war, musste ich erleben, dass ich schon mal unangenehme Resonanz erweckte. Die Menschen dort sind anders gestimmt als hier. Unser stolzes Ich, unsere Selbstbestimmtheit ist ihnen fremd, sie kommen eher vom Wir her. In Asien hat die Aufklärung nicht so „zugeschlagen“ wie bei uns. Ich habe mir die Frage gestellt: Wo ist das europäische Pendant zur so lebendigen geistlichen Realität Asiens? Antwort: Es gibt natürlich ein reiches mystisches Wissen in Europa ...

 

Orben-Schmidt: ... und das ist besonders für mich so interessant: die ureigenen spirituellen Wurzeln der Menschen hier zu erkennen, hier mit ihnen daran zu arbeiten.

 

Apropos Wurzeln. Sie wählen beide oft erdverbundene Metaphern, wenn Sie über Spiritualität sprechen. Warum?

 

Schmidt: Ich komme ja aus der Weisheitstradition der christlichen Kirche. Der Heilige Geist – ein Luftwesen – ist die männliche Seite des Göttlichen. Wir Westler müssen auch der weiblichen Seite des Göttlichen begegnen, sonst heben wir ab! Und die spiegelt sich in den spirituellen Traditionen in erdbezogenen Weisheitssymbolen wider: in Moosbett, Wurzel, Höhle, Baum, Quell.

 

 Werden Sie in unserem Labyrinth arbeiten?

 

Schmidt: Diesmal nicht. Denn das Labyrinth gehört zum Thema Wege, Abwege, Kreuzwege. Unser Thema ist ja: vom Dunkel ins Licht. Vom Tod zur Geburt. Vom Alten zum Neuen. In dieser Ostertagung geht es um die Chance, innerlich neu geordnet zu werden.

 

Das Interview wurde geführt von Heidi Behrens, Osterberg-Institut