Jenseits von richtig und falsch - Transkript
Werkstatt-Mitschnitt vom Meditationsabend am Do. 27.03. 2025 Transkript
Ich gebe eine kleine Einfügung:
(Zimbel)
Das Besondere an der Zimbel ist, dass sie sehr lange klingt. Sie klingt auch dann, wenn unser Ohr das Klingen nicht mehr hören kann, weil es an seine Hörfähigkeitsgrenze gekommen ist. Wir haben in den letzten Sitzungen uns führen lassen in die Welt, in die hinein sie verklingt. Das hat etwas mit unserem Bewusstsein zu tun. Das Alltagsbewusstsein. Es führt uns durch den Alltag. Es hilft uns, Entscheidungen zu fällen. Es hilft uns, zu unterscheiden, ob dies oder jenes jetzt angemessen ist oder nicht angemessen ist. Und es gibt dahinter ein Bewusstsein, das ist nicht von diesen Sorgen um den Alltag bestimmt.
Und diesem Bewusstsein, das nicht von den Sorgen des Alltags - das sind die Befürchtungen des Ichs oder die Wünsche des Ichs - bestimmt ist… Dieses Bewusstsein haben die Mystikerinnen und Mystiker aller Zeiten gesucht. Und sie beschreiben ihre höchste Erfahrung dann mit Worten, die nicht fassen können, was sie gerade als Bewusstseinsessenz erlebt haben.
Ich gebe uns mal die Worte von einem ganz klassischen Mystiker, Dionysos Areopagita. Wahrscheinlich Syrien, 6. Jahrhundert. Er fasst seine Erfahrung normalerweise in: Aufsteigen in höhere Bewusstseinssphären. Und da auf dem allerhöchsten Gipfel, so schreibt er, hört man in einem leisen, sprechenden Schweigen Wunder über Wunder. Leises, sprechendes Schweigen.Und er hat noch eine andere Formulierung. Man erfährt dort neue, unwirkliche und unwandelbare Wunder in der überhellen, dunklen Finsternis. In der überhellen, dunklen Finsternis. Ich habe dieses Zitat herbeigeholt, weil es so deutlich sagt, man kann das eigentlich in der Logik der Alltagssprache nicht ausdrücken. Nur in solchen seltsamen Formulierungen.
Und die Dimension, die ich heute herbeirufen möchte, ist von Rumi, islamischer Mystiker. Und der sagt: es gibt eine Wirklichkeit jenseits von wahr und falsch. Jenseits vom Urteilen. Das Feld jenseits von richtig und falsch. Ein Beispiel dazu:
Maria, die heute nicht dabei ist, kommt von einem Argentinien-Aufenthalt zurück, einem Tangoaufenthalt. Und sie hat eine besondere Erfahrung gemacht: Quirliges Argentinien, Zimmer zur Straße hin. Sie hatte sich Ohrenstöpsel mitgenommen. Aber sie stellt fest: Sie braucht die Ohrenstöpsel nicht, obwohl die Straße so laut ist.
Da ist ein Vorgang. Es gibt ein Bewusstsein, das urteilt. Und das sagt, ich brauche Ruhe zum Schlafen. Und es gibt eine Erfahrung: Das Geräusch da draußen wird nicht beurteilt. Das ist ein Umschwung von Urteilen auf Nichturteilen. Und im Nichturteilen steckt drin: Es ist alles in Ordnung, so wie es ist.
Ich setze noch einen Satz dazu. Es ist alles in Ordnung, ist eine Form von Liebe. Davor: Ich brauche Ruhe zum Schlafen, ist eine Form von Selbstschutz. Ego, sorgt sich. In der Liebe ist es nicht mehr da. So, das reicht jetzt aber als intellektuelle und philosophische Einleitung. - Ich werde mal versuchen, ob ich uns ein bisschen in diese Dimension hinein ahnen lassen kann.
Wir nehmen den Klang der Zimbel. (Zimbel)
Im ersten Schritt erstmal bewusstwerden: Ich höre bis da und da. Und jetzt imaginiert ihr bitte: Der Klang geht über die Hörgrenze hinaus, weiter und weiter. (3-mal Zimbel) Wir können das nicht sehen, wohin der Klang da entschwindet. Aber unser inneres Wissen gibt uns wie im Traum für das Unsichtbare manchmal Bilder oder Ahnungen. Also frage ich mal: Dort wo der Klang hinklingt, hin entschwindet, wie ist es da? Hell oder dunkel? Warm oder kalt? Bunt oder einfarbig? Wie ist es da?
(3-mal Zimbel) Und hat diese Tiefe, diese Wirklichkeit in der Tiefe eine Form? (1-mal Zimbel) Was passt dahin? Ein Raum? Weite? Nichts? (2-mal Zimbel) Wenn ein Raum - unendlich - einigermaßen passt, oder es eine andere Gestalt des Nichts gibt, lasst euch hineinführen mit dem nächsten Klang. Lasst euch hineinführen und erspürt oder gebt euch frei, dass diese offene Weite, diese Form des Nichts, euch beherbergt und euch damit die Chance gibt, eine Tiefe, ein tiefes Potenzial in euch zu erleben. Angerührt zu sein. (2-mal Zimbel) Und überprüfen wir doch einmal bitte: Hier in dieser Tiefe des Seins, in dem anderen Raum meines Bewusstseins: Hört das Urteilen auf? Da ist nicht falsch oder richtig. Es ist einfach so, wie es ist. Und es hat - das ist eine Frage - es hat möglicherweise einen Liebesaspekt?
So bessere Worte müsst ihr selber finden. Ich gebe uns noch dreimal diesen Klang und wir erkunden, was für eine Bewusstseinstiefe wir erleben. (3-mal Zimbel)
Sprecher und Autor: Volker Schmidt Länge: 12 Minuten
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